Wir beim Ohrfunk machen Radio, und eigentlich haben wir gar keine Zeit, uns ausführlich mit Bürokratie zu beschäftigen. Obwohl ich die Nachrichten recht intensiv verfolge, hatte ich die neue EU-Datenschutzgrundverordnung lange nicht auf dem Schirm, was uns in den letzten Tagen viel Arbeit bescherte.
Als wir im April 2018 unsere neue Webseite freischalteten, war ich kurz zuvor von einer Mitarbeiterin der Webagentur Medienzauber auf die neuen Bestimmungen aufmerksam gemacht worden. Mit der Datenschutzgrundverordnung soll den Verbrauchern mehr Kontrolle über ihre bei Anbietern gespeicherten Daten gegeben werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass man als Webseitenbetreiber genau Auskunft geben muss, welche Daten man von den Besuchern der Seite erhebt, warum man das tut, und wie lange man die Daten speichert. Außerdem muss man jedem Benutzer die Möglichkeit geben, seine Daten zu löschen. Bloß: Wie macht man das? Wenn Sie diese Seite besuchen, werden schon automatisch Daten erhoben: Ihr Browser wird ermittelt, um entscheiden zu können, welche Version der Webseite Ihnen präsentiert wird. Die IP-Adresse und Ihr Herkunftsland werden für die Statistik gespeichert, und wenn Sie einen Kommentar schreiben, teilen Sie uns natürlich auch Ihre Mailadresse und Ihren Namen mit. Dasselbe gilt für die Benutzung des Kontaktformulars. Darüber hinaus werden von unserer Seite möglicherweise Daten an andere Anbieter wie Google, Facebook oder Twitter weitergeleitet. Jeden dieser Einzelfälle müssen wir ab heute dokumentieren, müssen Sie darauf hinweisen und Ihnen die Gelegenheit geben, die Kontrolle über Ihre Daten zu erhalten.
Bei den ersten Schritten halfen uns die Leute von Medienzauber. Unsere Datenschutzerklärung und unser Impressum wurden von ihnen völlig neu gestaltet. Unser Content-management-System WordPress ermöglicht es uns jetzt, Daten einzelner Benutzer zu löschen, sobald sie es verlangen. Doch damit war es noch nicht getan: Wir mussten die Technik aufrüsten. Die DSGVO schreibt vor, dass Sie jeder Datenspeicherung explizit zustimmen müssen. Wir mussten also technische Lösungen finden, um Sie bei der Eingabe eines Kommentars, bei der Benutzung des Kontaktformulars und bei einem Eintrag in unseren Newsletter eindeutig nach Ihrer Zustimmung zu fragen und Sie darauf hinzuweisen. Das konnten wir mit mehreren Plugins für WordPress erreichen, aber es dauerte einige Stunden, die besten Tools zu finden, sie einzubauen und zu konfigurieren. Das habe ich in den letzten Tagen gemacht, obwohl ich eigentlich im Urlaub bin.
Das größte Problem bei der ganzen Sache ist, herauszufinden, welche Drittanbieter unter welchen Umständen an Ihre Daten gelangen könnten, und wie diese Drittanbieter mit den Daten umgehen. Beispielsweise nutzen wir ein Tool, um unsere Seite via Email upzudaten. Dieses Tool hat aber noch viele andere Funktionen, die mit der neuen Datenschutzgrundverordnung nicht kompatibel sind. Also mussten wir alle derartigen Funktionen abschalten.
Ich sagte es schon: Wir wollen eigentlich Radio machen. In den letzten Tagen aber habe ich mich fast ausschließlich mit der DSGVO befasst. Auch Sie werden viele Mails erhalten haben, in denen Sie aufgefordert wurden, die Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen jeder einzelnen Firma, jeder Mailingliste neu anzuerkennen und sich mit der Speicherung Ihrer Daten einverstanden zu erklären. Ich rate Ihnen: Nutzen Sie Ihre neuen Rechte und lassen Sie Ihre Daten dort löschen, wo Sie sie nicht gespeichert sehen wollen. – Aber bitte nicht beim Ohrfunk. 🙂
Jens Bertrams